Eine Filmemacherin über Filmfinanzierung durch privaten Investoren
Filmfinanzierung mit Hilfe privater Investoren ist hierzulande alles andere als selbstverständlich. Eine Regisseurin (die anonym bleiben möchte) spricht mit mir auf der Berlinale 2019 über ihren unkonventionellen Ansatz.
In Deutschland gibt es ein sehr umfangreiches FörIn Deutschland gibt es ein sehr umfangreiches Fördersystem für Kinofilme. Doch du hast deinen Debütfilm relativ unkonventionell finanziert – mit der Hilfe privater Investoren. Wie hast du das gemacht und warum?
Filmemacherin: Genau, ich habe eben 2013 meine Filmproduktionsfirma gegründet und dann – wie mir geraten wurde – versucht, bei den Förderanstalten für das erste Projekt eine Finanzierung zu generieren. Da ich aber keine belastbaren Referenz-Projekte und auch keine Filmhochschulausbildung hatte, war der Zugang nicht ganz einfach. Im Nachhinein verstehe ich das – auch wenn man erlebt, wie viele Kollegen und Kolleginnen Anträge stellen.
Nachdem ich also zunächst auf geschlossene Türen gestoßen bin, hab ich mir überlegt, wo ich sonst noch mein Geld herbekommen könnte. Mit meinem Hintergrund aus der Start-up Szene bin ich im Rahmen eines Business Angel Events an einen ganz tollen Investor geraten – der sagte “Ja, dann lass uns das doch mal versuchen.” Den Großteil der Finanzierung haben wir dann mit einem Netzwerk an Unternehmern gestemmt. Letzten Endes ist die Filmförderung noch mit eingestiegen – nachdem wir tatsächlich innerhalb von sechs Monaten über 200.000 Euro stemmen konnten. Insgesamt lagen wir dann bei einem Budget von 300.000 Euro. Das fing mit relativ kleinem Besteck an, wurde immer größer – und hat ehrlich gesagt auch unheimlich viel Spaß gemacht. Dieser Finanzierungsweg wurde mir dann immer wieder als sehr ungewöhnlich beschrieben.
„Nachdem ich also zunächst auf geschlossene Türen gestoßen bin, hab ich mir überlegt, wo ich sonst noch meine Finanzierung herbekommen könnte. Mit meinem Hintergrund aus der Start-up Szene bin ich im Rahmen eines Business Angel Events weiter gekommen.“
Zitat Filmemacherin
Anders als bei der Filmförderung, wo du die Gelder als sogenannten „bedingt rückzahlbaren Darlehen“ erhältst, hatte deine Finanzierung einen ganz anderen Ansatz. Wie hast du es geschafft, die Investoren und Investorinnen von deinem Projekt zu überzeugen und wie haben die das Risiko eingeschätzt?
Filmemacherin: Wir haben tatsächlich – da ich ja auch noch keine nennenswerten Erfahrungen im filmwirtschaftlichen Bereich hatte, mit hauptsächlich mittelständischen Unternehmern zusammen ein Business-Modell entwickelt. Orientiert haben wir uns an Deutschen Filmproduktionen, die auch Debütfilme waren, um Vergleichsszenarien zu entwickeln. Eigentlich sehr klassisch: Wie könnten im besten und im schlechtesten Fall die Ergebnisse aussehen. Natürlich war das Ziel der best case, sonst wäre ja niemand solch einen Weg eingegangen. Trotzdem haben wir unsere komplette Finanzstruktur als erfolgsbedingte Revenues aufgebaut.
Bei der Filmförderung entscheiden ja Gremium anhand gewisser Kriterien darüber, ob der Stoff irgendwie passt ob das alles realisierbar ist. Bei deinen Investorinnen und Investoren waren das eigentlich fachfremde Finanziers, oder?
Filmemacherin: Ich glaube ich schon, dass man das generell auf die StartUp Szene ein wenig ummünzen kann: Hinter jedem Produkt steht am Anfang eine Persönlichkeit mit einer Vision, die überzeugen muss. Das Einzige, was ich schaffen konnte, war diesen Menschen zu zeigen, dass ich von Beginn bis Ende keinen Moment aufhören werde, an dieses Projekt zu glauben. Und genau so war es dann auch. Anders hätte ich es nicht machen können. Ich hatte wie gesagt ja keine Referenzen im filmischen Bereich und konnte nur versuchen nachzuweisen, dass ich ein großartiges Team habe und die Kompetenzen, die ich selber nicht mitbringe, durch qualifiziertes Personal ergänzen kann.
„Das Einzige, was ich schaffen konnte, war diesen Menschen zu zeigen, dass ich von Beginn bis Ende in keinem Moment aufhören werde, an dieses Projekt zu glauben.“
Zitat Filmemacherin
Über die Arbeit mit privaten Investoren im Bereich der Filmfinanzierung
Und wie ist das mit der kreativen Beeinflussung des Projektes? Haben die Investoren dir Ideen mitgeteilt oder irgendwie probiert, Einfluss zu nehmen? Wollten sie bspw. jemand anderes als Cast haben, weil sie dachten, dass das Investment eher zurück kommt?
Filmemacherin: Ne, das war vollkommen klar, dass sie im Drehbuch und auch allen kreativen Entscheidungen nicht mitentscheiden können. Es war ganz klar: die Investoren sind auf der finanziellen Seite und ich bin auf der kreativen Seite. Natürlich gab es von vornherein den Wunsch – auch von meiner Seite – noch ein, zwei bekannte Gesichter dazu zu holen, um die Publikums-Reichweite zu erhöhen. Wir hatten auch ein paar Namen dabei, das war natürlich von Vorteil und auch während der ganzen Arbeit eine tolle Erfahrung.
Wenn du jetzt mal zurückschaust: Wie hat sich die Arbeit mit Investorinnen und Investoren angefühlt? War das eine positive Erfahrung, die du gerne wiederholen würdest? Wie war das praktische Arbeiten?
Filmemacherin: Ich muss gestehen, dass es unheimlich angenehm war und wirklich eine ganz tolle Erfahrung. Und ich vermisse manchmal in der deutschen Filmlandschaft, dass wir wirtschaftlicher mit mehr Marketing-Know-how und eben auch produktorientierter an die Sache rangehen. Ich finde es ganz wichtig, dass man eine kreative Vision hat. Ohne die wird auch ein Film nie stattfinden und wird auch keine Zuschauer haben. Aber ich finde es wichtig, auch wirtschaftlich zu denken. Aber ich glaube, so einen Partner an der Seite zu haben, ist gerade für kleinere Produktionen hilfreich. Im Filmfördersystem generell die Wirtschaftlichkeit mitzudenken halte ich für ausschlaggebend, um auch international anzuknüpfen. Kein Produkt wird ohne Marketingbudget und Vertriebsplan entwickelt. Warum gibt es keine an die Produktionsförderung automatisch angeschlossene Marketingfinanzierung? Ich halte das für z.T. unverantwortlich gegenüber den Produktionen.
Und wie hat der Markt auf dein fertiges Produkt reagiert, wenn wir das mal sehr wirtschaftlich formulieren?
Mit dem Endergebnis waren alle total zufrieden, die Investoren genauso wie die Mitwirkenden. Wir haben eine Kinoauswertung gehabt in Deutschland über einen Deutschen Verleih. Wir haben auch einen internationalen Sales-Agenten gehabt, der verschiedene Territorien verkauft hat. Ganz besonders spannend waren für mich auch die Airline-Sales. Und wir hatten eine unheimlich tolle Festival-Auswertung in Deutschland, und anderen Ländern in Europa und Asien.
Ich glaube, es ist ein klassisches Format mit einer Langlebigkeit. Ich bin sehr zufrieden damit, wie sich der Film von der Idee bis zur heutigen Auswertung weiter entwickelt. Da es mein Debütfilm ist, wird er natürlich immer eine ganz besondere Bedeutung für mich haben.
Aus deiner Erfahrung heraus, was denkst du: Würdest du a) diese Finanzierungsform wieder wählen und b) hast du das Gefühl, dass diese Finanzierungsform sich nur für gewisse Stoffe eignet und deine Investorinnen bzw. Investoren sich allgemein eher auf gewisse Themen einlassen und auf andere eher nicht?
Filmemacherin: Ich glaube, es gibt zwei Aspekte oder zwei Perspektiven, aus denen man schauen kann: Einerseits kann eine persönliche Beziehung bestehen, die ein Investor zu einem Thema hat. Zu einer Sportart, zu einem ganz spezifischen Instrument, zu einer Erfahrung oder einem Land hat. Dann ist es natürlich leichter, eine gemeinsame Verbindung zu finden; von einem Projekt zu überzeugen. Ich würde das eher als klassisches Mäzenatentum beschreiben, vielleicht mit einem größeren Budget. Ich denke, mit Nischenprodukten oder einem Genrefilm wäre das eine Strategie: Investoren mit thematischen Interessen zu suchen. Darüber hinaus gibt es für Klassiker, für die “sichere Bank” auch Venture Capital (so meine Einschätzung).
Ich glaube aber, dass wir generell mit Investoren nur arbeiten können, wenn wir diese unheimlich langen Entwicklungsphasen – bzw. vielmehr Finanzierungsphasen verändern. Ich glaube einfach nicht, dass ein Investor jetzt einsteigt, der in fünf Jahren den Film im Kino sieht. Wie sollen wir da überhaupt zeitlich reagieren? Das geht bei Klassikerstoffen, mit zeitlosen Themen, deren Relevanz besteht. Aber alles was sich am Puls der Zeit bewegt sollte genau so einen Weg zur Umsetzung finden. Es wäre einfach großartig, wenn wir (wieder) mehr Risikokapital für frische, auch kritische, auch ungewöhnliche Stoffe, Formate, Ideen zur Verfügung hätten. Das belebt auch die Branche und schützt davor, Humankapital an die “großen”, internationalen Produktionen zu verlieren.
„…es wäre einfach großartig, wenn wir (wieder) mehr Risikokapital für frische, auch kritische, auch ungewöhnliche Stoffe, Formate, Ideen zur Verfügung hätten. Das belebt auch die Branche und schützt davor, Humankapital an die “großen”, internationalen Produktionen zu verlieren.“
Zitat Filmemachein
Wie sieht es aus mit dokumentarischen Stoffen, die ja eigentlich ganz stark davon profitieren würden, dass sie viel aktueller produziert werden könnten. Denn in der Phase der Finanzierung können sich Themen ändern, Protagonisten abspringen, oder jemand ganz einfach keinen Bock mehr haben. Hat privates Investment deiner Meinung nach auch hier Potenzial?
Filmemacherin: Ja. Ich glaube tatsächlich, dass wir auch durch unser Konsumverhalten diese Langlebigkeit von Filmproduktionen nicht ewig halten werden können. Und für dokumentarische Projekte wäre es notwendig, vielleicht auch kleinere Budgets, aber eben viel kurzfristiger verfügbar zu machen. Das ist das Einzige was uns helfen kann. Ich habe tatsächlich kaum Erfahrung mit dokumentarischen Formaten, aber ich würde es mir für diese Produktionsform wünschen. Es kann ja nicht sein, dass wir einen Dokumentarfilm drei Jahre später schauen, wenn er seine Aktualität vielleicht schon wieder verloren hat.
Und so wie ich die Investoren, die ich kennengelernt habe, bisher einschätze, würde ich sofort sagen: Es besteht ein großes Interesse an Dokumentarformaten als Genre. Allerdings ist kaum jemand daran interessiert, in Dokumentarformate zu investieren, weil das Gefühl besteht, damit könne man das Invest nur schwer wieder einspielen. Mir sind viele Einschätzungen begegnet, Dokumentarfilme seien keine “Produkte” und ggf. auch nicht langlebig genug. Viele wünschen sich, in ein sicheres Produkt, am besten einen Klassiker, zu investieren. Ich glaube, wir müssen daran arbeiten, dass sich das Bild verändert. Es passiert ja im Bereich der Auswertungsformen unheimlich viel. Gerade auch im Streaming haben Dokumentarfilme einen sehr hohen Stellenwert.
Nach den Erfahrungen mit deinem letzten Kinofilm vielleicht kannst du noch einen kleinen Ausblick geben auf das, woran du gerade arbeitest und vielleicht ein bisschen neugierig machen, worum es geht und wie du das finanzieren wirst.
Filmemacherin: Tatsächlich haben die Erfahrungen mit dieser großen Produktion insbesondere für den Vertrieb dazu geführt, dass ich jetzt immer auf Englisch für die Erst-Auswertung produziere. Ich bin total dafür, dass wir direkt in der Postproduktion eine Deutsche Synchronfassung herstellen. Denn: Natürlich ist es wertvoll, eine deutschsprachige Fassung zu haben – allein zum Erhalt und zur Kultivierung dieser schönen Sprache. Ich sehe einfach keine Möglichkeit, auf dem Markt genug Anreize für Investoren zu schaffen. Und finde es auch verkehrt, das nicht als Chance zu sehen und zu sagen: Klar produziere ich auf Englisch und erreiche so kurz- bis mittelfristig ein größeres Publikum.
Danke für das nette Interview!
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